Phase change superlattices and thin film effects : MBE-growth and characterization
Kaminski, Marvin; Wuttig, Matthias (Thesis advisor); Waser, Rainer (Thesis advisor)
Aachen (2020)
Doktorarbeit
Dissertation, RWTH Aachen University, 2020
Kurzfassung
Durch die Einführung des Speichers Optane in Jahr 2017 gelang Intel und Micron die erste erfolgreiche kommerzielle Anwendung der elektrischen Eigenschaften von Phasenwechselmaterialien (PCM). PCM können durch entsprechendes Aufheizen zwischen einem hochohmigen, amorphen Zustand und einem niederohmigen, kristallinen Zustand reproduzierbar wechseln. Diese beiden Zustände eignen sich ideal zum Speichern von Informationen. Es wird vermutet, dass die einzigartigen Eigenschaften der PCM von ihrem ungewöhnlichen Bindungsmechanismus, der metavalenten Bindung, geprägt werden. Eine Charakteristik der metavalenten Bindung ist die Tendenz der Elektronen zur Delokalisierung zu streben. Diese Tendenz wird in verschiedenen Dünnfilmeffekten sichtbar, von denen in dieser Arbeit drei genauer untersucht werden. Bei dem ersten Effekt handelt es sich um einen spontanen Übergang von der amorphen zur kristallinen Phase. Dieser wird nicht durch Aufheizen ausgelöst, sondern tritt bei einer kritischen Schichtdicke bei PCM und Metallen in der Größenordnung von wenigen atomaren Lagen bei konstanter Temperatur auf. Nach dem Übergang hat der Film eine epitaktische Beziehung zum Substrat. Folglich kristallisiert der Film im Ganzen. Es wird vermutet, dass sehr dünne Filme die Elektronen so sehr begrenzen, dass sie nicht ihre Tendenz zu Delokalisierung ausprägen können. Diese ist jedoch für die metavalente Bindung unverzichtbar. Auf Grund dessen bilden die Atome in diesem Fall eine kovalente Bindung aus. In der Literatur wird dieser Phasenwechsel nur bei wenigen Kombinationen von Filmmaterial und Substrat beobachtet. Bisher fehlte dementsprechend eine systematische Analyse. In dieser Arbeit wird der Phasenwechsel für vier der untersuchten fünf PCM auf der Si(111)- 7x7 nachgewiesen. Einzig das Sb2Te3 mit seinem lagenweisen Aufbau bildet eine Ausnahme. Auch wird erstmalig der Phasenwechsel von Ge2Sb2Te5 auf der Si(111)-7x7 gezeigt. In der Literatur wurde bisher ein wichtiger Faktor für die Beobachtung des Phasenwechsels nicht berücksichtigt: Die verwendete Methode zur Analyse des Phasenwechsels, die Beugung hochenergetischer Elektronen bei Reflexion oder im englisch ”reflection high-energy electron diffraction” (RHEED), ist nur bei einem lagenweisen Wachstum in der Lage den Phasenwechsel zu detektieren. Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass der Übergang von amorph zu kristallin nicht gemessen werden kann, wenn das Silizium mit einer Monolage von Sb passiviert wird. Diese Si(111)-(sqrt(3) x sqrt(3)) R30° - Sb Oberfläche verhindert in allen Fällen den Phasenwechsel, der Film wächst vom Start an kristallin. Weiter wird der bisher nicht bekannte Zusammenhang zwischen der Substrattemperatur und der kritischen Schichtdicke des Phasenwechsels hier erstmalig nachgewiesen. Es wird vermutet, dass diese Abhängigkeit von kinetischen Effekten ausgelöst wird. Der zweite Dünnfilmeffekt betrifft die Gitterkonstanten in der Ebene parallel zur Substratoberfläche beim Start des Wachstums. Die verwendete Oberflächenrekonstruktion, die Si(111)-(sqrt(3) x sqrt(3)) R30° - Sb, sollte eine kleinere Gitterkonstante zum Beispiel dem GeTe(111) oder dem Ge2Sb2Te5(111) aufprägen als deren Bulkwert. In der Praxis wird mit dem RHEED aber eine systematisch zu große Gitterkonstante gemessen. Dies wurde für alle gemessenen Materialien bis auf das Sb2Te3 beobachtet. Auch hier wird angenommen, dass der begrenzte Raum in dünnen Filmen die Bindung beeinflusst. Diese Beobachtungen einer zu großen Gitterkonstante werden durch DFT Rechnungen gestützt, die ohne Substrat auskommen. Für den dritten und letzten hier vorgestellten Dünnfilmeffekt werden die PCM zu einem Multilagensystem zusammengefügt. In der Literatur wurde bisher über den ungewöhnlichen Transfer von mechanischen Spannungen in Multilagensystem aus GeTe/Sb2Te3 oder in GeTe/Bi2Te3 Stapeln berichtet. Die ungewöhnliche Übertragung der mechanischen Spannungen wurde mit dem schichtweisen Aufbau des Sb2Te3 oder des Bi2Te3 in Zusammenhang gebracht. In dieser Arbeit wird zum ersten Mal ein Multilagensystem aus GeTe und SnTe vorgestellt. Beide Materialien haben im Gegensatz zum Sb2Te3 und zum Bi2Te3 keinen schichtweisen Aufbau. Aus diesem Grund ist es interessant, wie sich die Gitterkonstante als Ausdruck des mechanischen Stresses während des Wachstums verhält. Des weiteren werden die SnTe/GeTe Multilagensysteme als Beispiel verwendet, um die Durchmischung der Lagen zu untersuchen. Dazu werden auch verschiedene Substrattemperaturen verglichen. Hierbei gibt die seltene Kombination von RHEED, der Röntgendiffraktometrie (XRD), der Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) und der Atomesonde (APT) Einblicke in die Kristallstruktur. Weiterhin wird die Symmetriebrechung mittels Angular RHEED (ARHEED) beim Wachstum von SnTe(001) auf Si(111) untersucht. Betrachtet man die kubische Struktur des SnTe(001) und die Siliziumoberfläche in hexagonaler Beschreibung müssten sich drei gleichwertige Rotationsdomänen ausprägen. In der Vergangenheit wurde die Fehlorientierung der Substratoberfläche genutzt, um diese Symmetrie zu brechen und ein quasi einkristallines Wachstum zu ermöglichen. In dieser Arbeit konnte mithilfe des ARHEED nachgewiesen werden, dass die kritische Schichtdicke der Unterdrückung von zwei der drei Domänen 1,5 - 2 nm beträgt. Zusätzlich wurde durch die Oberflächensensitvität des ARHEEDs weitere bisher unbekannte Rotationsdomänen bei ±2° gefunden. Diese sind in einem ca. 4 nm dicken SnTe-Film nicht mehr messbar. Auch die Berechnungen der Schnittpunkte der beiden übereinander liegenden Gitter vom Silizium und SnTe bestätigen das Auftreten der Rotationsdomäne bei ±2°. Diese Entdeckung unterstreicht die Fähigkeit des ARHEEDs Rotationsdomänen bei Filmdicken zu messen, bei denen andere Verfahren, zum Beispiel XRD, versagen. Die Untersuchung dieser drei Dünnfilmdomänen und die Entdeckung der kritischen Schichtdicke bei der Unterdrückung von zwei der drei Rotationsdomänen helfen bei dem Verständnis der metavalenten Bindung in Phasenwechselmaterialien.
Identifikationsnummern
- DOI: 10.18154/RWTH-2020-06480
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2020-06480