Structure and composition of weakly-coupled superlattices - a diffraction perspective
- Struktur und chemische Zusammensetzung von schwach gebundenen Übergittern - Eine Beugungsperspektive
Hollermann, Henning; Wuttig, Matthias (Thesis advisor); Kooi, Bart J. (Thesis advisor)
Aachen : RWTH Aachen University (2020, 2021)
Doktorarbeit
Dissertation, RWTH Aachen University, 2020
Kurzfassung
Speicherzellen auf Basis von Phasenwechselmaterialien (PCM) werden für die nächste Generation nichtflüchtiger Datenspeicher entwickelt. Der Speicher basiert auf dem reversiblen Schaltvorgang zwischen einem kristallinen und einem amorphen Zustand durch einen elektrischen oder optischen Puls. Simpson et al. fügten der Diskussion eine neue Facette hinzu als sie 2011 ihren Grenzflächen-Phasenwechselspeicher (engl. interfacial phase change memory, iPCM) vorstellten. Die iPCMs zeigten im Experiment bessere Schalteigenschaften als konventionelle Phasenwechselmaterialien. Die Entdeckung inspirierte in den folgenden Jahren viele Forschungsprojekte. Der Kern der neuen Speicherzelle ist eine Übergitterstruktur aus GeTe und Sb2Te3, die auch als Chalkogenid-Übergitter (engl. chalcogenide superlattice, CSL) bezeichnet wird. Da Simpson et al. für sich in Anspruch nahmen, einen grundlegend neuen atomaren Schaltmechanismus entdeckt zu haben, konzentrierten sich die meisten Forschungsaktivitäten auf die Verifizierung und das Verständnis dieses neuen "kristallin-zu-kristallin-Schaltens". Diese Dissertation stellt einen Teil der internationalen Forschung dar, die das Wachstum und die Struktur von Sb2Te3 und GeTe Dünnfilmen sowie deren Übergittersystem untersucht. Für die Analyse der biaxial texturierten Strukturen wird eine Vielzahl von experimentellen Techniken eingesetzt: Während die Strukturanalyse in großem Umfang die hochauflösende Röntgenbeugung nutzt, fügt die Atomsonden-Tomographie dem nanoskopischen Bild der Ge-Sb-Te basierten Übergitter einen neuen Blickwinkel hinzu. Darüber hinaus wurde im Rahmen dieser Arbeit ein Software-Werkzeug entwickelt, um idealisierte Beugungsexperimente (insbesondere von ungeordneten Proben) auf der Basis der kinematischen Beugungstheorie zu simulieren. Mit diesem Ansatz werden die charakteristischen strukturellen Eigenschaften von Chalkogenid-Übergittern diskutiert, die typischerweise in Röntgenbeugungsspektren zu finden sind. Diese werden mit den primären Strukturmotiven und der intrinsischen Unordnung der Probe verknüpft. Es wird gezeigt, dass auch die Information über die chemische Zusammensetzung in Beugungsmustern von Übergitterproben enthalten ist. Eine Untersuchung der identifizierten Merkmale in verschiedenen Übergitter-Proben zeigt, dass das Vegard'sche Gesetz angewendet werden kann. Dies ermöglicht eine einfache und zerstörungsfreie Stöchiometriebestimmung. Die chemische Analyse von dünnen Schichten wird häufig mit Hilfe der energiedispersiven Röntgenspektroskopie in Elektronenmikroskopen oder Transmissionselektronenmikroskopen durchgeführt. Die Röntgenbeugung erfordert im Gegensatz zu diesen beiden Methoden weder Vakuum noch eine spezielle Probenpräparation. Die entwickelte Technik bietet somit eine komplementäre Methode zur Struktur- und Stöchiometriebestimmung einer untersuchten Übergitterprobe. Ein zweiter Aspekt dieser Arbeit bildet die Basis für eine weitere Nutzung von solchen Übergittern jenseits von Speicheranwendungen. Insbesondere die beiden Materialien, die von Simpson et al. verwendet wurden, gehören zu der Klasse der schwachen Metalle (engl. incipient metals), die auch als metavalent gebundene Materialien bezeichnet werden. Sie besitzen Elektronensysteme, die sich zwischen einem kovalent gebundenen und einem vollständig delokalisierten metallischen Zustand befinden. Diese Eigenschaft ist nur bei Phasenwechselmaterialien und verwandten Chalkogeniden bekannt. Neuere Experimente deuten darauf hin, dass diese Situation unterhalb einer kritischen Kristallgröße von wenigen Nanometern instabil ist. Der Grund für dieses Verhalten ist noch nicht hinreichend erforscht. Die Analyse sehr dünner Filme ist jedoch eine Herausforderung und erfordert spezielle experimentelle Methoden. Epitaktische Übergitter sind vielversprechende Kandidaten, um Materialeigenschaften einem breiteren Spektrum von experimentellen Techniken zugänglich zu machen. Dies wird durch die Wiederholung der dünnen Struktur erreicht, die im Experiment das Signal-Rausch-Verhältnis verbessern kann. Das erfordert jedoch eine präzise Prozesskontrolle und ein tieferes Verständnis der hergestellten Strukturen. Um die dünne Struktur in Form eines Übergitter zu wiederholen, muss ein geeignetes nicht-metavalentes Material als Abstandshalter verwendet werden. Für diese Arbeit wurde das Übergangsmetall-Dichalcogenid TiTe2 gewählt. Es weist eine geschichtete Struktur aus kovalent gebundenen Blöcken auf und ist außerdem nicht mit Sb2Te3 mischbar. In dieser Arbeit wird die Untersuchung der Wachstums- und Struktureigenschaften des Materialsystems TiTe2/Sb2Te3 parallel zu der von GeTe/Sb2Te3 dargestellt, obwohl die für ein erfolgreiches Wachstum des von TiTe2/Sb2Te3 erforderlichen Prozesse erst später entwickelt wurden. Es wird gezeigt, dass qualitativ hochwertige texturierte TiTe2/Sb2Te3-Übergitter durch Magnetronsputtern bei erhöhten Temperaturen kontrolliert deponiert werden können. Damit erweist sich das Materialsystem als eine günstige Plattform für zukünftige Untersuchungen der Begrenzungseffekte (engl. confinement) der metavalenten Bindung.
Identifikationsnummern
- DOI: 10.18154/RWTH-2020-12476
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2020-12476