Electrical transport in disordered, crystalline phase-change materials
- Elektrischer Transport in ungeordneten, kristallinen Phasenwechselmaterialien
Reindl, Johannes; Wuttig, Matthias (Thesis advisor); Mazzarello, Riccardo (Thesis advisor)
Aachen (2020, 2021)
Doktorarbeit
Dissertation, RWTH Aachen University, 2020
Kurzfassung
Der globale Stromverbrauch wird in den nächsten Jahren ansteigen, unter anderem wegen des wachsenden Energiebedarfs von Computergeräten jeglicher Art. Um begrenzte natürliche Ressourcen, die zur Stromerzeugung verwendet werden, zu schonen, müssen Computer energieeffizienter werden. Zudem müssen neue Wege beschritten werden, neuartige Rechnerdesigns zu konzipieren, ähnlich den Vorbildern aus der Natur wie Neuronen in einem Gehirn. Phasenwechselmaterialien (PCMs) sind bereits eine wichtige Materialklasse in der optischen Datenspeicherung und als "Storage-Class-Memory" in Computern, die sich durch einen hohen Kontrast in der optischen Reflektivität und dem elektrischen Widerstand zwischen einer stabilen, amorphen und kristallinen Phase auszeichnen, welche schnell und reversibel geschaltet werden können. Der Fokus dieser Dissertation liegt auf der Untersuchung des elektrischen Transports in ungeordneten, kristallinen PCMs. Auf der pseudobinären Linie zwischen PbTe und Sb$_{2}$Te$_{3}$ finden sich Legierungen in einer kochsalzartigen, metastabilen, kristallinen Phase, bei denen es sich um Mischkristalle der einzelnen Bestandteile handelt. Ein struktureller Phasenübergang in eine vorhergesagte, thermodynamisch stabile, hexagonale Phase durch Tempern, ähnlich zu PCMs wie GeSbTe-Legierungen, wird nicht beobachtet, sondern eine Separation in die Ausgangsverbindungen. Es existiert ein Wechsel des Majoritätsladungsträgertyps von n- zu p-Leitung beim Tempern von kristallinen Dünnfilmen in der metastabilen, kochsalzartigen Kristallphase. Zur Beschreibung der experimentellen Ergebnisse von Widerstandsmessungen, Ladungsträgerkonzentrationsmessungen, Messungen des Seebeck-Koeffizienten und Zustandsdichtemessungen mit Tunnelspektroskopie Messungen wird ein vereinfachtes Modell entwickelt, welches den Ladungsträgertypübergang beschreibt. Es wird angenommen, dass ein Überschuss von Pb und Sb, die sich auf intrinsischen Leerstellen befinden, für die ursprüngliche n-Typ-Leitung verantwortlich ist. Diese Annahme basiert unter anderem auf der Berechnung von Defektbildungsenergien mit Dichtefunktionaltheorie. Durch Messungen des elektrischen Widerstands bei kryogenen Temperaturen wird der Metall-Isolator-Übergang in SnSb$_{2}$Te$_{4}$ untersucht. Verschiedene Modelle werden herangezogen, um den Transport in der isolierenden Phase zu beschreiben, namentlich "Variable-Range-Hopping" nach Mott und Efros-Shklovskii-"Hopping" und deren Entwicklung nahe dem quantenkritischen Punkt wird betrachtet. Die Korrelationslänge des isolierenden Regimes wird verwendet, um den Übergangspunkt bezüglich verschiedener Ordnungsparameter wie der Raumtemperaturleitfähigkeit, einer Null-Kelvin-Extrapolation der Leitfähigkeit und dem Ioffe-Regel-Parameter zu charakterisieren. Es wird festgestellt, dass eine Analyse der Lokalisierungslänge mit dem Ioffe-Regel-Parameter Resultate liefert, die von den Literaturwerten von dotierten Halbleitern abweichen. Das Vorzeichen des Magnetwiderstands bei niedrigen Temperaturen wechselt dabei von einem negativen, im isolierenden Regime, zu einem positiven, nahe dem Übergang. Die metallische Seite des Transportregimes wird mit elektrischen Messungen an sehr dünnen Filmen untersucht und ein Widerstandsminimum bei erhöhten Messtemperaturen gefunden, das von klassischer Transporttheorie nicht vorhergesagt wird und welches mit der Tempertemperatur und dem Ausgangswiderstand der Proben skaliert. Der inelastische Streumechanismus von Elektronen wird mit Messungen der Magnetleitfähigkeit untersucht und mit der etablierten Theorie der schwachen Antilokalisierung analysiert. Die inelastische Streurate wird bezüglich einer konstanten, einer Elektron-Elektron- und einer Elektron-Phonon-Streukomponente ausgewertet. Die Relevanz von Elektron-Elektron-Streuung bleibt bei niedrigsten Temperaturen auch in Bereichen bestehen, in denen die Gültigkeit des Modells des diffusiven Elektronentransports abnimmt. Die Änderung des Vorzeichens der Magnetleitfähigkeit wird in sehr dünnen Filmen untersucht. Messungen in Abhängigkeit vom Winkel zwischen Stromrichtung und Magnetfeld zeigen einen Übergang von einer anisotropen Magnetleitfähigkeit im diffusiven Regime zu einer isotropen Magnetleitfähigkeit im isolierenden Regime. Der Bereich des Vorzeichenwechsels liegt nahe bei einem Widerstand von $R=(2\pi^2 \hbar)/\mathrm{e}^2$, an dem eine Änderung des Magnetleitfähigkeitvorzeichens für parallele Felder bei höheren Temperaturen auftritt als für senkrechte Feldorientierung. Die isotrope positive Magnetleitfähigkeit (negativer Magnetwiderstand) im isolierenden Bereich von SnSb$_{2}$Te$_{4}$ wird auf einen neuartigen "Spin-Memory"-Effekt zurückgeführt, bei dem die Unterdrückung von Spinkorrelationen zwischen lokalisierten Zuständen mit einem Magnetfeld die Leitfähigkeit erhöht. Der Effekt nimmt mit zunehmender Unordnung zu, im Gegensatz zur schwachen Antilokalisierung, welche mit zunehmender Unordnung abnimmt.
Identifikationsnummern
- DOI: 10.18154/RWTH-2020-11882
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2020-11882